Mehr Kompetenzen für den Rettungsdienst
Endlich können die Angehörigen des DRK-Rettungsdienstes ihr umfangreiches Fachwissen einsetzen. Die Einführung der sogenannten Vorabdelegation Baden-Württemberg macht dies möglich.
Ganz böswillig formuliert könnte man mit Blick in die Vergangenheit sagen: Notfallsanitäter*innen durften bislang im Notfall nur Verbände anlegen und „Pflästerle“ aufkleben. Verabreichten sie in lebensbedrohlichen Situationen, also bei einem „rechtfertigenden Notstand“ Medikamente, rettete dies zwar häufig Leben. Sie bewegten sich indes in einer rechtlichen Grauzone, machten sich juristisch angreifbar.
Mit der Einführung der Vorabdelegation Baden-Württemberg hat der Gesetzgeber Klarheit geschaffen und die rechtliche Situation der Mitarbeitenden der Rettungsdienste eindeutig geregelt. In exakt definierten Notfallbildern, für die die Notfallsanitäter*innen eh ausgebildet sind und nach detaillierten Handlungsanweisungen und der Maßgabe, dass der Patient anschließend ärztlich weiterbehandelt wird, dürfen sie Medikamente verabreichen und invasive Maßnahmen durchführen. „Eine der Bedingungen ist, dass wir einen ärztlichen Verantwortlichen bestellten. Mit Dr. Martin Mergenthaler haben wir diese Position bereits vor gut einem Jahr besetzt. Im Laufe des vergangenen Jahres haben wir alle weiteren Voraussetzungen geschaffen“, erläutert Andreas Bachmann. Dazu hatte auch eine entsprechende Betriebsvereinbarung gehört. Der Leiter des Rettungsdienstes beim DRK-Kreisverband Göppingen betont aber auch: „Wir werden weiterhin einen Notarzt hinzuziehen, wenn es die Situation erfordert.“ In jedem Falle aber kann „die Besatzung des Fahrzeuges, das als erstes am Einsatzort eintrifft, sofort kompetent Hilfe leisten.“ In den weit überwiegenden Fällen sei dies der Rettungswagen mit den Notfallsanitäter*innen, der vor dem Notarzteinsatzfahrzeug vor Ort ist. Nach dem Einsatz werde Dr. Mergenthaler als ärztlicher Verantwortlicher gemeinsam mit den Notfallsanitäter*innen den Einsatz reflektieren.
Mit der Einführung der Vorabdelegation werde der hohen Professionalität der Rettungskräfte endlich Rechnung getragen. „Viele Mitarbeitende waren bislang frustriert, weil sie zwar umfassend ausgebildet sind, ihr Können und ihre Fertigkeiten aber nicht in ihren Berufsalltag einbringen durften.“ Die neue Regelung werde deshalb von ihnen begrüßt. Ein weiterer Grund für die neue gesetzliche Grundlage und die Erweiterung der Kompetenzen der Rettungskräfte sei darin zu suchen, dass es immer weniger Notfallmediziner gebe.
Entsprechend den Landesvorgaben zur Vorabdelegation wurde auch die jährliche Fortbildung des Rettungsdienstpersonals angepasst. So wurde wieder ein Fortbildungstag eingeführt, bei dem alle Mitarbeitenden in den Maßnahmen der Vorabdelegation geschult werden und an dem das praktische Üben im Vordergrund steht. „Der Fortbildungstag wird von den Kollegin*en sehr gut angenommen und wir haben bisher ein ausschließlich positives Feedback erhalten“, so Praxisanleiter Fabian Ungaro. Die jährlichen Schulungen der Handlungsanweisungen werden von den Mitarbeitenden online über den DRK-Lerncampus absolviert.
Andreas Bachmann weist darauf hin, dass sich ab dem kommenden Jahr auch die Arbeitsgrundlage für die Notfallsanitäter*innen ändern wird. Das sei eine Vorgabe des Landes Baden-Württemberg. Statt den bisherigen Handlungsanweisungen werden dann die „SAA-BPR“, die „Standard-Arbeitsanweisung und Behandlungspfade Rettungsdienst“ umgesetzt. Die SAA-BPR sind mittlerweile in sechs Bundesländern die Grundlage für die Vorabdelegation und somit ein Instrument, das die Arbeit der Rettungskräfte insgesamt vereinheitlicht und noch transparenter macht.